„Neue Chance für Europa“ – So lautete das Motto des 4. EuroMinds Wirtschaftsgipfels in Hamburg, auf dem 120 Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft unter der Schirmherrschaft des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehmamer über die Zukunft Europas diskutierten.
Das Gastland Österreich wurde durch die Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler vertreten, die mit einer pointierten Rede aufwartete. Sie sieht den „European Way of Life“ in Gefahr. Europa habe seine Strahlkraft verloren. Wirtschaftlich und sicherheitspolitisch sieht sie großen Handlungsbedarf. „Wir brauchen eine neue europäische Sicherheitsarchitektur“, sagte sie. Das sei spätestens seit dem Beginn des Ukrainekrieges mehr als deutlich geworden. Sie warnte vor einem Verlust der europäischen Glaubwürdigkeit bei gleichzeitig wachsendem wirtschaftlichen und politischen Einfluss Chinas in der Welt.
Auf die Frage, ob sich Europa in einer Identitätskrise befinde, antwortete der SPD-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union Markus Töns: „Wenn man ehrlich ist, muss man von einer Identitätskrise sprechen.“ Europa müsse sich als reformfähig erweisen, so Töns. Kleine Kurskorrekturen reichten nicht mehr aus. Als Beispiel nannte er den geplanten Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union: „Damit kommt das größte Agrarland Europas in die EU. Das heißt, dass wir unsere gesamte bisherige Agrarpolitik überdenken und reformieren müssen. Dazu müssen wir bereit sein“, sagte der Europapolitiker. „Vieles wird sich verändern. Ohne Reformen kann Europa nicht bestehen.“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller ergänzte: „Es kommen noch ganz andere Fragen auf uns zu: Bündnisse, Partnerschaften, Machtverteilung – alles ist weltweit im Fluss.“ Zudem wachse in den Schwellenländern die Bevölkerung. Gerade die jungen Menschen seien dort ohne Perspektive. Das habe einen dramatischen Einfluss auf künftige Migrationswellen. „Es werden viel mehr Menschen kommen. Und nun glaubt irgendjemand, das halten wir auf mit einem Zaun?“ fragte er. „Wir werden darüber reden müssen, was da auf uns zukommt.“ Sein eindringlicher Appell: „Wir müssen uns heute darauf vorbereiten. Das empfinde ich als Aufgabe und Pflicht Europas.“
Der Rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Prof. Dr. Günter Krings zog eine gemischte Bilanz: Europa habe in der Asylpolitik versagt, in der Corona-Pandemie zusammengehalten und so die Krise gemeistert und im Umgang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu überraschend großer Einigkeit gefunden.